AEGIS16 – Antiterror-Übung vom 21. – 25.11.2016 am Gelände der EVN AG in Maria Enzersdorf
Selten besteht für einen Milizsoldaten die Chance bei einer Antiterror-Übung der Landespolizeidirektion Niederösterreich (LPD) und Assistenztruppen des Bundesheeres auf der Seite der „Beschützten“ zu stehen. Vom 21. bis 25. November 2016 wurde dieses Erlebnis mit echtem Erinnerungswert im Rahmen der Übung AEGIS 16 – Schutz von kritischer Infrastruktur, in diesem Fall der Stromversorgung Niederösterreichs, möglich.
Die Belegschaft der EVN AG wurden Mitte November über das Firmeninterne Intranet von einer geplanten Antiterror-Übung in der EVN am Standort Maria Enzersdorf informiert. Darin wurden alle MitarbeiterInnen am betroffenen Standort unter anderem über folgendes aufgeklärt:
Polizei und Bundesheer führen eine großangelegte Übung zum Schutz von kritischer Infrastruktur durch. Am Gelände der EVN Direktion werden etwa 100 Polizei- und Bundesheer-Angehörige mit Zelten, mobilen Verpflegungseinrichtungen, Funkstationen sowie Sanitärbereiche stationiert sein. Dazu kommen Transportmittel des Heeres, vom Pinzgauer bis zum Hubschrauber.
Bitte beachten Sie die Einschränkungen:
- Lagerung von Sandsäcken: am 16.11. werden im Bereich der Parkplätze Sandsäcke gelagert. Ab 6 Uhr werden daher Teile dieser Parkplätze (Anm.: welche für Mitarbeiter zur Verfügung stehen) gesperrt
- Provisorischer Zaun: ab 18.11. wird ein Zaun errichtet, der entlang des Firmengeländes, beginnend bei der 2. Polleranlage bis zum Ausbildungszentrum und von dort bis zum Zugang der Badner Bahn führt (Anm.: genauer Verlauf des Zaunes konnte aus einem beiliegenden Plan entnommen werden)
- Nur eine Zutrittsmöglichkeit: Das Gelände kann ausschließlich nur über einen Zugang bei der Johann-Steinböck Straße betreten werden. (Anm.: gewöhnlich ist das Firmengelände an zwei Seiten immer leicht zugänglich, da das Hauptgebäude von öffentlich zugänglichen Straßen umschlossen ist)
- Ausweiskontrolle: Das Bundesheer kontrolliert zu bestimmten Zeiten die Ausweise aller, die das EVN Gelände betreten wollen.
Wichtig: Haben Sie immer Ihren Dienstausweis mit Foto (oder Reisepass oder Personalausweis) dabei.
Am Mittwoch, den 23.11., wird am Vormittag ein bewaffneter Überfall und die Festnahme des Täters geprobt. Dabei landen mehrere Hubschrauber auf der Wiese östlich des Hauptgebäudes, ein Scharfschütze wird auf das Dach der Direktion abgeseilt, und es wird dabei zu lautem Schusswechsel – natürlich ohne echter Munition – kommen.
An diesem Tag ist zwischen 8:00 und 13:00 Uhr die Zufahrt zum Lager-, Garagen- und Betriebsgebäude, nicht jedoch der Fußweg, gesperrt. Dadurch ist auch die Abholung und das Zurückbringen Ihres Dienstfahrzeuges NICHT möglich.
Bitte berücksichtigen Sie das bei der Planung Ihrer Dienstreise(n).
Bitte stellen Sie sich auf die ungewöhnliche Situation ein und zeigen Sie auch Geduld mit unseren Soldaten.
Ergebnisse / Erlebnisse / Erkenntnisse
- Fast schon stolz wurde zu Beginn der Übung von Kolleginnen und Kollegen über die erlebte Personen- und Kfz-Kontrollen berichtet.
- In den Pausengesprächen war die Präsenz des ÖBH häufig Thema – Fahrzeuge, Ausrüstung, Aufbau der Anhalteplätze wurden genauso bestaunt wie die Höflichkeit und Freundlichkeit der Soldaten.
- Die Vorführung von Hubschrauberlandungen am Betriebsgelände, das Simulieren einer terroristischen Geiselnahme, das Abseilen von Polizei-Spezialkräften und die Befreiung der Geiseln waren für uns alle eindrucksvolle Bilder und Erlebnisse.
- Für eine Stunde bestand auch die Möglichkeit, das ÖBH in Form einer kleinen Leistungsschau am Betriebsgelände in einem Stationenbetrieb näher kennen zu lernen – alles in allem ein aus meiner Sicht ein sehr erfolgreiches „get in touch mit unserem Bundesheer“.
- Die Nutzung der EVN – Kantine für die Versorgung der Soldaten hat sicherlich mit zu einem sehr guten Klima beigetragen – ÖBH kann sich also auf bestehende Infrastruktur abstützen und diese sinnvoll nutzen
- Für mich persönlich war erstaunlich, mit welchem Selbstverständnis sich die Belegschaft von unseren Soldaten anhalten und kontrollieren ließ und niemand stellte die Fragen: Ja dürfen die denn das eigentlich? Warum ist da keine Polizei dabei oder nur sehr selten?
Die gute hausinterne Vorinformation und damit die rechtzeitige Einbindung der Belegschaft des Schutzobjektes waren sicherlich ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Dies ist nur gelungen, weil bereits im Vorfeld neben anderen Unternehmensbereichen auch die Kommunikationsabteilungen von ÖBH, Polizei und EVN intensiv in die geplanten Abläufe eingebunden waren!
Andererseits sind mir persönlich und im Nachgang in Gesprächen mit KollegInnen einige Punkte aufgefallen, welche ich im Sinne eines Lessons Learned im Folgenden kurz vorstellen möchte – mit dem Ziel bei zukünftigen Übungen mit vergleichbarem Inhalt darauf zu achten „Was noch beachtet werden sollte, um das Verständnis der Belegschaft während einer derartigen Übung weiter zu erhöhen?“:
- Verhaltensregeln für MITARBEITERINNEN: bitte unterstützen Sie die Soldaten bei den Personen- und Kfz-Kontrollen. Je bereitwilliger Sie den Anweisungen folgen, desto rascher geht die Überprüfung von statten, halten Sie den Ausweis bereit und planen Sie bei Ihrer Anreise einige Minuten mehr ein, da die Überprüfung ggf. zu Verzögerungen führen kann. Informieren Sie Gäste und Unternehmenspartner bei Terminen am Standort über die Übung, damit diese ebenfalls vorab „im Bilde“ sind. Letztlich führt ein eingeschränkter Zugang zu einem Gebäude mit Parteienverkehr immer zu Einschränkungen, Terminverzögerungen, einer geringeren Anzahl an Parkplätzen und damit zu längeren Anreisewegen zum Arbeitsplatz – das sollte noch deutlicher formuliert und kommuniziert werden.
- Gesetzliche Hintergrundinformationen für MitarbeiterInnen: kurze und klare Information über die rechtlichen Rahmenbedingungen, die es Soldaten erlauben eine Personen- und Kfz Kontrolle am Gelände des Schutzobjektes durchzuführen – was darf bei einer solchen Kontrolle durch den Überprüfenden verlangt werden, genauso wie die Verhaltensregeln und Rechte als Mitarbeiter bei einer Überprüfung.
- eine deutlichere und vor allem häufigere Anzahl an Beschilderungen am Zaun entlang des Schutzobjektes als dies bei AEGIS 16 der Fall war.
- Auf militärischer Seite sind wir gewohnt, in „der Lage zu leben“. Für Außenstehende ist oft schwer nachvollziehbar, warum gerade etwas passiert, weil die Lage-Eskalationen nicht ersichtlich sind – es sollte auch laufend während der Übung mit kurzen Informationen die Belegschaft über die aktuelle Lageentwicklung informiert werden, denn diese wird nur für die Übungsteile simuliert und ist für Außenstehende nicht ersichtlich – dadurch entsteht Erklärungsbedarf bei der Belegschaft des Schutzobjektes oder manches rückt in ein „eigenartiges“ Bild, weil die Hintergrundinformationen fehlen.
- Einer der Punkte, welche EVN im Zuge der Übung erfahren hat war, dass eine derartige Übung nicht nur für das ÖBH sondern auch für den „Beschützten“ zusätzlichen Ressourcenbedarf und Koordinationsaufwand bedeutet – der vorher dem Unternehmen in dem erforderlichen Umfang so klar wie möglich zu kommunizieren ist – damit die gegenseitigen Erwartungen möglichst frühzeitig geklärt sind:
- Was vorher in der Planung nicht beachtet wird, wie Auswirkungen auf Verkehrsführung – das Sperren einer Abbiegespur oder Einfahrtmöglichkeit muss in den ersten Stunden durch Hinweisschilder und Verkehrsregler rasch korrigiert werden!
- Kundenverkehr am Standort des Schutzobjektes führt auch zu erhöhtem Erklärungsbedarf bei dieser Personengruppe (haben keinen MITARBEITERINNEN-Ausweis, Führerschein oder Reisepass bei sich) – vielleicht unterstützt ein kurzes Merkblatt mit den wesentlichen Inhalten eine raschere Personen- und Kfz-Kontrolle dieser Personengruppe – auch eine vorherige Abschätzung mit wie vielen Personen während der Übungsphase gerechnet werden kann, wird die Planung im Vorfeld unterstützen.
- Erweiterte Nutzung von Infrastruktur am Schutzobjekt (Küche, WC-Anlagen, Garagen, etc.) bedeutet auch erweiterten Aufwand für den Beschützten z.B.: für Reinigungspersonal des Unternehmens – das im Vorfeld mitberücksichtigt werden muss – vor allem, wenn Übungen im November (Regen, Schnee) durchgeführt werden und der Schmutzeintrag in das Gebäude durch die vielen Soldaten deutlich höher ausfällt als im Normalbetrieb.
- Unterstützt das Unternehmen das ÖBH beim Aufstellen von Zäunen, Mauern, etc. sind auch diese Ressourcen im Vorfeld zu veranschlagen und vorzubereiten.
- Vor allem sollten auch von militärischer Seite sehr frühzeitig die geplanten Inhalte und Übungsannahmen mit dem Unternehmen besprochen und ggf. gemeinsam an möglichen Umsetzungsszenarien gearbeitet werden. Der operative Betrieb im Schutzobjekt sollte dabei möglichst wenig gestört werden – das Üben einer Geiselnahme tagsüber während des aktiven Kundenbetreuungs-Betrieb im EVN-eigenen Call Center wird daher auf wenig Verständnis bei den „Beschützten“ stoßen.
Alles in Allem war aus meiner persönlichen Sicht AEGIS 2016 eine tolle Gelegenheit für das ÖBH, sich von seiner kompetentesten Seite zu zeigen – was über weite Teile sicherlich gelungen ist!
Spannend auch die hohe Akzeptanz und Aufgeschlossenheit vieler MitarbeiterInnen gegenüber der Übung, den Sperren, Kontrollen und zeitlichen Verzögerungen – in dem Gefühl, Teil von etwas „Wichtigem“ zu sein. Vielleicht wäre eine derartige Übung vor 5 – 6 Jahren noch auf deutlich weniger Verständnis gestoßen, was meiner Meinung nach auch mit den sicherheitspolitischen Veränderungen zu tun hat.
Mögen wir nie in die reale Lage eines Schutzauftrages kommen, zeigt eine Übung im Kleinen doch auch die Einschränkungen im privaten Leben und Tagesablauf – andererseits sind gerade derartige Übungen wichtig, um Erfahrungen zu sammeln und Lehren abzuleiten.
Zum Autor
Mag. Dipl.-Ing. Harald Prokschy ist seit 17 Jahren Angestellter in der EVN AG und bekleidet aktuell die Position des stellvertretenden Bataillonskommandanten im Jägerbataillon Wien 2 „Maria Theresia“