65.400 Aktive, zusätzlich 17 000 Personen in der Reserve. Nein, das ist nicht die neue angestrebte Personalstärke des Österreichischen Bundesheeres. Es ist die Stärke der freiwilligen Feuerwehr – alleine in Oberösterreich[1]. Österreichweit liegt die Personalverfügbarkeit der Feuerwehren bei beachtlichen 250 000 Feuerwehrleuten, inklusive Reserve sogar bei 330 000[2].
Von Oberstleutnant Gernot Gaiswinkler
Bedenkt man, dass der überwiegende Teil der Feuerwehren in Österreich auf freiwilliger und ehrenamtlicher Basis agiert, so sind diese Zahlen umso beeindruckender. 246.000 Einsätze im letzten Jahr[3], drei Jahre davor wurden laut offiziellen Angaben mehr als 2,6 Millionen Einsatzstunden alleine von den Freiwilligen Feuerwehren geleistet[4].
Volle Geräte- und Fahrzeugausstattung jeder Einheit, nicht nur auf dem Papier, sondern real. Als Soldat könnte man da fast neidisch werden. Doch wie schafft es eine Freiwilligen-Organisation die sechsfache Stärke des Heeres aufzubauen und derart schlagkräftig aufrecht zu erhalten? Was könnte das Bundesheer, was könnte jeder einzelne Soldat daraus lernen?
Leider, so muss an dieser Stelle gleich relativiert werden, sind die Voraussetzungen der Feuerwehren andere als jene des Bundesheeres. Allgemein gültige Aussagen sind zudem schwierig, weil das Feuerwehrwesen in Österreich auf Landesebene gesetzlich geregelt und auf Gemeindeebene organisiert ist und damit regional sehr unterschiedlich sein kann.
Aber weil die Feuerwehren Österreichs durch permanente Einsatztätigkeit in der Öffentlichkeit positiv spürbar sind, genießen sie höchstes Ansehen und Vertrauen[5]. Soldaten übrigens befinden sich in diesen Umfragen eher im Mittelfeld der Vertrauensskala, die Bundesheer-Einsätze im Zuge der Flüchtlingsbewegung hatten aber durchaus positiven Einfluss auf das Ansehen von Soldaten. Aus tatsächlichem Einsatzgeschehen und Ansehen resultiert offensichtlich die politische Bereitschaft für Ausrüstung ausreichend Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Das ist auch im Bundesheer in den letzten Monaten wieder spürbar.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zum Bundesheer besteht darin, dass Feuerwehren maßgeblich auf Gemeindeebene finanziert werden[6], dass also im übertragenen Sinne die Ausrüstung auf Kompanieebene beschafft wird. Jede Feuerwehr hat zwar Anspruch auf Mindestausstattung[7], welche von öffentlicher Hand zu finanzieren ist, weitere Ausrüstung muss allerdings mittels zusätzlicher Aktivitäten beschafft werden. Und weil die Finanzierung auf dieser unteren Ebene stattfindet, veranstalten Feuerwehren Feste und Spendensammlungen, bieten der Bevölkerung aktiv Hilfeleistungen an und präsentieren sich mit ihren Leistungen sichtbar in der Öffentlichkeit. Ein Gutteil der Arbeitsstunden wird so für Finanzbeschaffung verwendet. Das bringt der Bevölkerung ebenso wie dem arbeitsleistenden Feuerwehrmitglied direkten Nutzen und spart dem Steuerzahler Geld. Das Bundesheer könnte hier durchaus aktiver sein, doch sollten die erhaltenen Finanzmittel auch direkt in jenen Bereichen verwendet werden, in denen sie lukriert wurden. Denn was sollte sonst den einzelnen Soldaten – egal welcher Ebene – motivieren, zusätzliche Energie einzubringen, wenn die so erhaltenen Einnahmen irgendwo im großen Finanztopf verschwinden?
Nicht nur Einsatzgeschehen und Hilfeleistung schaffen für Feuerwehren ein positiveres Klima. Immer wieder wird aus meiner Beobachtung von Soldaten missachtet, wie befremdlich so manche, „klassisch soldatische“ Verhaltensweise in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Feuerwehrleute beispielsweise schreien sich nicht an. Sie behandeln sich aus meiner Erfahrung über alle Hierarchiestufen hinweg mit Respekt und Anerkennung. Zumindest versucht das der überwiegende Teil. Sich anschreiende Soldaten hingegen werden in der Öffentlichkeit leider als „Normalität“ wahrgenommen. Solche und ähnliche archaische „Soldatentugenden“ schaffen jedoch im zivilen Umfeld eher Verständnislosigkeit als Zustimmung. Dabei wird oft vergessen, dass gerade jene Öffentlichkeit direkt oder indirekt auch über Finanzierung entscheidet. Eine ähnliche Verständnislosigkeit habe ich übrigens wahrgenommen, als bei Unwettereinsätzen assistenzleistende Soldaten mit Pistole bewaffnet die Feuerwehren unterstützt haben. Waffen im Arbeitsleben sind befremdlich, vor allem wenn man sie eigentlich nicht braucht. Ab und an wäre mehr Fingerspitzengefühl gefordert.
Thema Dank und Anerkennung: Beim Bundesheer fast schon zur Floskel auf einem Dekret verkommen, bedanken sich Feuerwehrleute, insbesondere auch Kommandanten bei ihrer Mannschaft für Verlässlichkeit, Disziplin und Einsatz. Auch Feuerwehrkameraden untereinander bedanken sich. Dank schadet nicht. Um etwas zu bitten übrigens auch nicht. Im Gegenteil, es motiviert und gibt so manchem Befehl eine völlig andere Perspektive.
Vielleicht rührt die zivilisierte Umgangsform unter Feuerwehrleuten daher, dass Feuerwehroffiziere nicht bestimmt, sondern von der jeweils nachfolgenden Ebene gewählt werden. Die unterste Ebene wählt das örtliche Kommando[8], die gewählten Kommandanten wiederum wählen das vorgesetzte Kommando auf Abschnitts- oder Bezirksebene und so weiter[9]. Von den örtlichen Kommanden werden dann auf Gruppenkommandanten-Ebene in der Regel erfahrene Feuerwehrleute eingesetzt, die den Nachwuchs motivierend fördern und fordern. Nur so besteht die Möglichkeit die Schlagkraft auf Ebene der freiwilligen Mitgliedschaft aufrecht zu erhalten und so den gesetzlichen Auftrag[10] zu erfüllen.
Zugegeben, die demokratische Wahl von Kommandanten wäre wohl aus meiner Sicht einer der herausforderndsten Paradigmenwechsel, die das Bundesheer – zumindest während meiner bisherigen Soldatenzeit – zu vollziehen gehabt hätte. Dennoch denke ich, dass die Wirkung beachtenswert wäre.
Und zu guter Letzt möchte ich das Thema Kameradschaft erwähnen, bei dem ich einen spürbaren Unterschied zwischen Bundesheer und Feuerwehr erlebe: Ich weiß offen gesagt als Milizsoldat nicht, wie es tatsächlich um die Kameradschaft in unseren Kasernen bestellt ist. Aber wenn ich an meinen Präsenztagen abends durch die verlassene Kaserne wandere oder die örtliche Cafeteria aufsuche, sehe ich im Unterschied zu früher nur mehr einige, wenige Soldaten, die ihre Zeit nach Dienst miteinander teilen. Im Feuerwehrwesen hingegen zieht sich die dienstliche Gemeinschaft weit in den privaten Bereich. Es gibt gemeinsame Ausrückungen in Uniform anlässlich runder Geburtstage von altverdienten Kameraden oder zu Festen anderer Feuerwehren. Man feiert – dann doch meist in Zivilkleidung – Geburtstage gemeinsam ebenso wie Eheschließungen oder freudige Geburten. Gemeinsame Besuche von Veranstaltungen, Ausflüge und Projekte sind eher Standard als die Ausnahme. Aus dem reinen Dienstbetrieb wird Kameradschaft, aus Kameradschaft Freundschaft. Und deshalb steht man im Einsatz füreinander ein und achtet auf das Wohl seiner Mitkämpfer.
Kameradschaft ist das Rückgrat von Soldatentum und auch Feuerwehr. Kameradschaftspflege, speziell auch außerhalb der vom Dienstbetrieb bestimmten Zeit, ist eine wertvolle Investition für einen soliden Zusammenhalt in Extremsituationen. Auch beim Bundesheer kann dafür gar nicht genug Energie investiert werden.
Es gäbe sicherlich eine Vielzahl weiterer Details, die es wert wären betrachtet zu werden: höhere Übungsfrequenz, Einsatzleiterprinzip, lebendiges Bewerbswesen. Wichtig ist es mir dennoch eines festzustellen: Natürlich gibt es auch bei der Feuerwehr vieles zu verbessern, einiges was man umgekehrt auch vom Bundesheer lernen könnte und sollte.
Abschließend lässt sich aber aus meiner Sicht feststellen: Freiwillige Feuerwehren bilden im Vergleich zum österreichischen Bundesheer eine enorm personalstarke Einsatzorganisation, die bei minimalen Personalkosten und hervorragendem Ausrüstungsstand ihre Einsätze leistet. Voraussetzung dafür ist ein sehr positives Ansehen in der Bevölkerung, auf das Kommandanten aller Ebenen in hohem Maß achten. Eine weitere wichtige Säule ist Finanzverantwortung auf unterer Ebene. So ist man sich im Allgemeinen der Situation bewusst, dass positive Schlagzeilen Geld bringen und negative Schlagzeilen Geld kosten. Respektvolle, kameradschaftliche Umgangsformen über alle Hierarchieebenen hinweg, ein gewähltes Kommando und permanente Kameradschaftspflege schaffen die Voraussetzung zur Aufrechterhaltung der erforderlichen Personalstärke. Im Rahmen dieser Rahmenbedingungen stehen auch uns Soldaten auf allen Ebenen Handlungsparameter offen, die geeignet sind, die Situation im österreichischen Bundesheer weiter zu verbessern und unsere Einsatzbereitschaft und Schlagkraft zu erhöhen.
Bild © Freiwillige Feuerwehr Raab (Oberösterreich)
[1] http://www.ooelfv.at/der-verband/struktur/#/ooe~4/details
[2] http://www.bundesfeuerwehrverband.at/aktuelles/newsarchiv/details/article/feuerwehr-und-bundesheer-sind-partner-und-keine-konkurrenten-2/
[3] http://www.bundesfeuerwehrverband.at/fileadmin/user_upload/Downloads/Statistiken/STATISTIK_2016_Kurzversion_v2.pdf
[4] http://www.bundesfeuerwehrverband.at/aktuelles/newsarchiv/details/article/statistik-der-oesterreichischen-feuerwehren-2013/
[5] APA//GfK 2016 aus https://kurier.at/wirtschaft/in-welche-berufe-vertrauen-die-oesterreicher-am-meisten/186.115.809
[6] siehe zb §5 OÖ. Feuerwehrgesetz (FWG) 2015
[7] siehe zb siehe zb §10 OÖ. Feuerwehrgesetz (FWG) 2015
[8] siehe zb §24 OÖ. Feuerwehrgesetz (FWG) 2015
[9] siehe zb §42 Abs 2 OÖ. Feuerwehrgesetz (FWG) 2015
[10] siehe zb §9 Abs 2 OÖ. Feuerwehrgesetz (FWG) 2015